Interview

Digitale Immunsysteme: Von der Natur inspiriert?

Die Natur ist ein Meister der Anpassung und Widerstandsfähigkeit. Seit Jahrmillionen haben sich Lebewesen immer wieder neuen Bedrohungen gestellt und Schutzmechanismen entwickelt, die ihnen das Überleben sichern. Diese Prinzipien nutzt die Bionik, um technische Systeme widerstandsfähiger zu machen – sei es durch den Lotus-Effekt für selbstreinigende Oberflächen oder Klettverschlüssen, die von der Haftstruktur der Kletten inspiriert wurden.

Der Lotuseffekt ist ein Phänomen, bei dem Wasser und Schmutz auf einer Oberfläche abperlen.

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Auch in der IT-Sicherheit zeigt sich diese Idee: Das digitale Immunsystem kombiniert verschiedene Technologien, um sich selbst zu verteidigen, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und automatisch darauf zu reagieren. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept, und wie können Unternehmen und Einzelpersonen davon profitieren?

Darüber sprechen wir mit Mario Jandeck. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Enginsight GmbH aus Jena, einem führenden Technologieunternehmen mit rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Enginsight hat sich auf die Entwicklung innovativer Lösungen für IT-Sicherheit und automatisiertes Monitoring spezialisiert. Mit seiner langjährigen Erfahrung in der IT-Branche und seiner Leidenschaft für Cyber Security verfolgt Mario Jandeck das Ziel, komplexe IT-Sicherheitsfragen verständlich und alltagstauglich zu machen.

Mario Jandeck
Gründer & Geschäftsführer der Enginsight GmbH

Herr Jandeck, in letzter Zeit hört man immer öfter vom Konzept des „digitalen Immunsystems“ oder der „Digitalen Hygiene“ – quasi das Händewaschen – nur fürs Internet. Was verbirgt sich dahinter?

Ich erkläre es gern mit einem Vergleich aus der Gesundheitswelt: Um unser Immunsystem zu unterstützen und Erkrankungen vorzubeugen, ergreifen wir verschiedene Maßnahmen – zum Beispiel regelmäßiges Händewaschen. Genau so funktioniert das auch im digitalen Raum. Das digitale Immunsystem ist eine ganzheitliche Sicht auf die IT-Sicherheit, die darauf abzielt, durch vorbeugende Maßnahmen und Routinen Angriffe abzuwehren oder ihre Auswirkungen zu minimieren. Es geht also nicht nur darum, eine Antivirus-Software zu installieren, sondern darum, IT-Sicherheit als Gesamtkonzept zu verstehen.

Wie kann man sich das im Alltag konkret vorstellen?

Viele unterschätzen, wie wichtig kleine, regelmäßige Schritte sind. So wie wir uns täglich die Hände waschen, sollten wir uns auch um unsere digitale Hygiene kümmern. Das bedeutet zum Beispiel: Betriebssystem- und Browser-Updates nicht hinauszögern, für jeden Online-Dienst ein eigenes Passwort verwenden, idealerweise abgespeichert in einem Passwortmanager, und immer einen zweiten Faktor für die Anmeldung aktivieren. Diese einfachen Routinen machen einen riesigen Unterschied – und sind längst nicht mehr nur für Unternehmen relevant, sondern auch für Privatpersonen.

Das klingt alles recht einfach. Warum tun sich trotzdem so viele Menschen damit schwer?

Weil IT-Sicherheit oft als kompliziert oder lästig empfunden wird. Dabei braucht es meist gar kein Spezialwissen. Es geht um Bewusstsein und Disziplin. Viele Angriffe gelingen nicht, weil Hacker besonders raffiniert wären, sondern weil einfache Schutzmaßnahmen fehlen. Das digitale Immunsystem lebt von der Summe kleiner Maßnahmen, die im Alltag umgesetzt werden. Und das Gute: Man kann sofort damit anfangen.

Sie vergleichen das digitale Immunsystem auch mit einem Gesundheitscheck. Was meinen Sie damit?

Nur wer sich regelmäßig untersuchen lässt, weiß, wie es um die eigene Gesundheit steht. Für die IT gilt das genauso. Bei Unternehmen übernehmen sogenannte Penetration Tests – also simulierte Angriffe durch Experten – diese Aufgabe. Damit lassen sich Schwachstellen aufdecken, bevor sie gefährlich werden. Im privaten Umfeld geht es darum, sich selbst regelmäßig zu hinterfragen: Sind meine Geräte auf dem neuesten Stand? Nutze ich sichere Passwörter? Sind meine Daten verschlüsselt? Auch hier kann man schon mit kleinen Schritten viel erreichen.

Wenn wir den Blick in die Zukunft werfen: Wie wird sich die Cyber Security weiterentwickeln?

Die digitale Welt wird immer komplexer, und damit steigen auch die Anforderungen an die IT-Sicherheit. Zum Glück entwickeln sich auch die Schutzmechanismen weiter. Automatisierung wird eine zentrale Rolle spielen – Systeme, die verdächtige Aktivitäten automatisch erkennen und abwehren, sind bereits Realität. Plattformansätze ermöglichen es, unterschiedliche Sicherheitslösungen intelligent miteinander zu verbinden. Besonders spannend finde ich den Einsatz von Künstlicher Intelligenz: KI kann Muster erkennen, die einem Menschen nie auffallen würden, und so Bedrohungen schon in der Entstehung identifizieren. Ich bin überzeugt, dass uns diese Entwicklungen helfen werden, die immer komplexere digitale Welt besser abzusichern.

Zum Abschluss: Ihr wichtigster Tipp für alle, die heute etwas für ihre digitale Sicherheit tun wollen?

Fangt mit den kleinen Dingen an. Installiert Updates, nutzt starke Passwörter, aktiviert Zwei-Faktor-Authentifizierung. Diese grundlegenden Schritte stärken euer digitales Immunsystem enorm. IT-Sicherheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess – genau wie die Pflege unserer Gesundheit.

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