Zehn Personen sitzen in einem Konferenzraum an einem runden Tisch. Eine weitere Person steht am Tisch und moderiert das Gespräch zwischen den anderen Personen.
Information

Politische Bildung & Demokratie Spiele

Politische Bildung & Demokratie-Spiele: Bedeutung & Nutzen

Politische Bildung ist im Wandel. Digitale und analoge Spiele werden zu Lernräumen, in denen Verantwortung, Perspektivwechsel und Werte unmittelbar erfahrbar sind. Dieser Ratgeber zeigt Grundlagen, Methoden und Praxisbeispiele aus Thüringen – von Game Jams bis zu Ideen für den Unterricht – und macht deutlich, wie spielerisches Lernen Demokratiebildung lebendig und zukunftsfähig gestaltet.

Artikel zum Hören:

0:00 0:00

Demokratiekompetenzen im digitalen Zeitalter

Demokratie verändert sich – sie ist längst auch digital. Diskussionen finden auf Plattformen statt, Engagement entsteht in Chats, Bewegungen wachsen im Netz.

Politische Bildung muss darauf reagieren. Sie soll Orientierung geben in einer Welt, in der jede Meinung geteilt, kommentiert und bewertet wird. Digitale Mündigkeit wird somit zur zentralen demokratischen Fähigkeit und umfasst u.a. folgende Fertigkeiten:

  • Informationen prüfen, bevor man sie teilt

  • unterschiedliche Perspektiven verstehen und hinterfragen

  • verantwortungsvoll handeln – auch online.

Solche Fähigkeiten lassen sich nicht allein theoretisch vermitteln. Sie müssen erlebt, ausprobiert und reflektiert werden – in Formaten, die Beteiligung und Verantwortung erlebbar machen.

Digitale Lernumgebungen bieten dafür neue Chancen. Sie verbinden Wissen mit Erfahrung, schaffen emotionale Zugänge und spiegeln reale gesellschaftliche Dynamiken wider. Auch in Thüringen gewinnt diese digitale Dimension politischer Bildung an Bedeutung – von Schulen bis zur außerschulischen Jugendbildung.

Vier junge Personen haben sich um einen Laptop versammelt. Das Foto ist ein Selfie, welches die Person links im Bild von der Gruppe macht.
© envato

Spiele als Lernwelt der Demokratie

Erfahrungsräume entstehen heute oft dort, wo Menschen sich spielerisch mit der Welt auseinandersetzen – in digitalen Spielen. Sie sind Teil der Alltagskultur und prägen, wie junge Menschen Geschichten, Konflikte und Entscheidungen erleben. Damit werden sie auch zu neuen Lernorten für Demokratie.

Game-Based Learning beschreibt diesen Ansatz: Lernen geschieht im Spiel, durch Interaktion und eigenes Handeln. Statt passiv zuzuhören, werden Lernende aktiv, treffen Entscheidungen und erleben deren Folgen unmittelbar. So verbindet sich Wissen mit Emotion und Motivation – eine Kombination, die – wie pädagogisch bekannt – Lernprozesse vertieft.

Demokratie-Spiele sind in der Regel sogenannte Serious Games, also „ernsthafte Spiele“, die gezielt für Bildungszwecke entwickelt werden. Sie greifen reale Themen auf, simulieren politische Prozesse und regen zum Nachdenken an.

Auch weit verbreitete Unterhaltungsspiele („Mainstream Games“) können demokratische Kompetenzen fördern, wenn sie moralische Entscheidungen, Verantwortung oder Teamarbeit in den Mittelpunkt stellen.

Das Besondere an Spielen: Sie schaffen emotionale Zugänge.

  • Wer im Spiel Verantwortung übernimmt, erlebt Teilhabe.

  • Wer Entscheidungen abwägt, trainiert Urteilsfähigkeit.

  • Wer Regeln hinterfragt, versteht, wie Gesellschaft funktioniert.

So entsteht Lernen, das beteiligt statt nur belehrt.

Grundlagen & Methoden politischer Bildung mit digitalen Formaten

Spielerische politische Bildung lebt von guter Didaktik. Damit Lernprozesse wirken, müssen sie geplant, begleitet und reflektiert werden. Erst das Zusammenspiel aus Methode und Nachbereitung macht aus einem Spiel eine Erfahrung, die demokratisches Denken stärkt. Die entscheidende Frage, die wir hier klären, lautet also: Wie müssen Lernprozesse aufgebaut werden, damit digitale Spiele ihre Wirkung entfalten?

Didaktischer Werkzeugkasten

Damit ein Spiel in der politischen Bildung mehr ist als Unterhaltung, braucht es ein methodisches Gerüst. Didaktik bedeutet hier, Lernprozesse so zu planen und zu strukturieren, dass Wissen, Emotion und Reflexion miteinander verknüpft werden.

Spiele lassen sich dabei als dreiteilige Lernphasen verstehen:

  1. Vorbereitung

  2. Spielphase (Durchführung)

  3. Nachbereitung

Jede Phase erfüllt eine eigene Funktion – und erst ihr Zusammenspiel erzeugt nachhaltiges Lernen.

Lernphasen

Lernphase Ziel & Bedeutung Typische Umsetzung
Vorbereitung Themen einführen, Erwartungen klären, Rollen und Regeln festlegen Gesprächsrunden, Input, Materialien oder kurze Tutorials
Spielphase Erleben, Entscheiden, Handeln, demokratische Prozesse werden simuliert Planspiele, Serious Games, digitale Simulationen, Rollenspiele
Nachbereitung Erlebtes reflektieren, Konsequenzen diskutieren, Transfer in den Alltag herstellen Leitfragen, Gruppengespräch, kreative Aufbereitung (z. B. Plakat, Podcast, Reflexionstagebuch)

Wichtig ist: Ein gutes Spielkonzept steht nie allein.

Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte und Bildungsakteure schaffen den Rahmen, in dem sich das Lernen entfalten kann – durch gezielte Aufgaben, Moderation und offene Diskussionen.

So wird das Spiel zum Lerninstrument.

Reflexion und Analyse von Spielen

Reflexion bedeutet, Erlebtes bewusst zu hinterfragen und daraus Erkenntnisse für zukünftiges Handeln zu gewinnen. Sie verwandelt das Spiel in Erfahrung – und macht das Lernen nachhaltig. Nach dem Spiel beginnt der wichtigste Teil: das gemeinsame Nachdenken. Hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um Einsicht.

Zentrale Fragen, die zum Nachdenken anregen, lauten dabei:

  • Warum habe ich mich im Spiel so entschieden?

  • Welche Folgen hatten meine Handlungen?

  • Wo wurde Verantwortung oder Macht sichtbar?

  • Welche Parallelen gibt es zur realen Gesellschaft?

  • Was würde ich in einer ähnlichen Situation anders machen?

Solche Gespräche eröffnen Perspektiven und fördern Urteilsfähigkeit. Sie helfen, das Erlebte zu ordnen, Regeln zu hinterfragen und Erfahrungen in den Alltag zu übertragen.

Reflexion kann viele Formen annehmen – von einer offenen Gesprächsrunde über kurze Schreibimpulse bis hin zu kreativen Formaten wie Podcasts oder Collagen. Entscheidend ist, dass Teilnehmende ihre Sichtweisen teilen und daraus neue Gedanken entstehen.

So schließt sich der Lernkreis: Aus dem Spiel entsteht Einsicht, aus Einsicht Haltung – und daraus wächst demokratische Kompetenz.

Zwei junge Frauen und zwei junge Männer stehen unter einem Baum draußen und haben ein Gespräch bzw. eine Diskussion. Einige der Personen lachen, die Stimmung ist gelassen.
© envato

Thüringen macht’s vor: Projekte und Best Practices

In Thüringen wächst ein Ökosystem für spielerische Demokratiebildung: Landesinstitutionen, Bildungsstätten und Medienpädagogik arbeiten eng zusammen, erproben Formate und tragen sie in Schule und Jugendbildung. Die Landeszentrale bündelt Angebote und Fortbildungen, regionale Partner setzen Projekte um – vom Workshop bis zur Game-Jam. So entstehen praxisnahe Wege, Demokratie erlebbar zu machen.

Akteure & Netzwerke

Politische Bildung in Thüringen ist kein Einzelprojekt, sondern ein Zusammenspiel vieler Kräfte. Staatliche, kirchliche und zivilgesellschaftliche Einrichtungen entwickeln gemeinsam Formate, die Demokratie erfahrbar machen – jede mit eigenem Schwerpunkt, aber verbunden durch das Ziel, Lernprozesse zeitgemäß zu gestalten.

Die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen (LZT) bildet dabei das institutionelle Rückgrat. Sie bündelt Programme, vernetzt Partner und fördert Projekte, die neue Wege der Demokratievermittlung erproben. Über Fortbildungsangebote und Materialien werden Lehrkräfte und Multiplikator*innen für den Einsatz digitaler Lernformen qualifiziert.

Das Institut Spawnpoint für Spiel- und Medienkultur e. V. in Erfurt bringt methodische und technologische Expertise ein. Als Schnittstelle zwischen Medienpädagogik, Game Design und Bildungspraxis begleitet Spawnpoint Projekte, in denen Jugendliche digitale Formate selbst gestalten – oft in Kooperation mit Bildungsträgern im Land.

Die Evangelische Akademie Thüringen und die Jugendbildungsstätte Junker Jörg (Eisenach) ergänzen diese Arbeit durch ihre Erfahrung in historisch-politischer und biografischer Bildung. Sie entwickeln Formate, in denen gesellschaftliche Verantwortung und persönliches Handeln reflektiert werden – häufig in Kooperation mit Spawnpoint und gefördert durch die Landeszentrale.

Aus diesem Zusammenspiel ist in den letzten Jahren ein tragfähiges Netzwerk entstanden, das Thüringen zu einer Modellregion für zeitgemäße politische Bildung macht. Theorie und Praxis greifen ineinander, klassische Bildungsarbeit trifft auf digitale Ansätze – und aus vielen eigenständigen Initiativen entsteht eine gemeinsame Bewegung, die Demokratie als lebendigen Lernprozess versteht.

Förderung & Rahmenbedingungen

Thüringen verfügt über eine Förderlandschaft, die politische Bildung langfristig absichert und zugleich Raum für Innovation lässt. Landes- und Bundesprogramme schaffen verlässliche Strukturen, auf deren Grundlage Schulen, Bildungseinrichtungen und Träger neue Formate entwickeln – von lokalen Initiativen bis zu landesweiten Modellprojekten. Das Landesprogramm DenkBunt – Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ist dabei der zentrale Förderpfeiler. Es unterstützt Träger, Schulen und Vereine, die demokratische Werte im Alltag stärken und innovative Bildungsformen erproben. Gefördert werden insbesondere Projekte, die Partizipation und Zivilcourage fördern, Diskriminierung und Extremismus entgegenwirken, Medienkompetenz und digitale Beteiligung ausbauen, neue Lern- und Beteiligungsformate erproben. Zahlreiche Akteure profitieren von dieser Förderung. Projekte wie Allersleben oder Text-Abenteuer in der politischen Bildung wurden im Rahmen von DenkBunt oder in enger Kooperation mit dem Programm umgesetzt. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ergänzt diese Landesförderung. Es fördert vor allem überregionale Netzwerke und den Austausch lokaler Initiativen. Gefördert werden u. a. Vorhaben, die demokratische Teilhabe im Gemeinwesen ausbauen, Bildungsakteure in ländlichen Regionen vernetzen, Projekte zwischen Wissenschaft und Praxis vermitteln.

Wichtige infrastrukturelle Grundlagen schafft zudem der Digitalpakt Schule, der technische Ausstattung, Netzwerke und Fortbildungsmittel für Schulen bereitstellt – wichtige Voraussetzungen für Game-Based Learning und digitale Lernräume.

Im Mittelpunkt stehen dabei:

  • der Ausbau digitaler Infrastruktur und Netzwerke in Schulen

  • die Förderung pädagogischer Medienkonzepte

  • die Weiterbildung von Lehrkräften und Fachpersonal

Zur Vielfalt der Bildungslandschaft tragen auch kirchliche Bildungseinrichtungen und Stiftungen bei. Sie agieren weniger als Geldgeber, sondern als institutionelle Partner, die Bildungsarbeit mit Ressourcen und Personal tragen.

Die Evangelische Akademie Thüringen und die Jugendbildungsstätte Junker Jörg in Eisenach realisieren regelmäßig Projekte zur politischen Jugendbildung, etwa Seminare, Werkstatttage oder Lernspiele. Die Schulstiftung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland engagiert sich zudem mit Programmen zu Wertebildung und interkulturellem Dialog an evangelischen Schulen. Kirchliche Erwachsenenbildungsträger ergänzen dieses Netzwerk durch Fortbildungen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt, Ehrenamt und Demokratieverständnis, häufig kofinanziert über das Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz.

Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus die Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW), die Demokratie- und Menschenrechtsbildung mit internationaler Jugendarbeit verbindet, sowie das Thüringer Landesnetzwerk Politische Bildung, das Akteure aus Schule, Gedenkstättenarbeit und Medienbildung zusammenführt.

Bewährte Beispiele aus der Praxis

In Thüringen wird politische Bildung auf vielfältige Weise praktisch umgesetzt. Viele Projekte verbinden dabei analoge Begegnung mit digitalen Formaten – etwa in Online-Workshops, hybriden Lernspielen oder webbasierten Tools. So entstehen Lernräume, die die politische Bildung flexibler und zugänglicher machen.

Lernräume in Thüringen

Projekt / Format Träger & Partner Inhalt & Ziele Förderung / Unterstützung
„Games im Unterricht“ (Forbildung) Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, ThILLM, Stiftung Digitale Spielekultur, Spawnpoint e. V. Spielekultur, Spawnpoint e. V. Fortbildung für Lehrkräfte und Multiplikatoren; vermittelt praxisnah den Einsatz digitaler Spiele in der Demokratiebildung. Kooperation der beteiligten Partnerinstitutionen
„Digital Game-Based Learning“ (Workshop) Universität Erfurt, unterstützt durch Spawnpoint e. V. Hochschulseminar zu Lern- und Forschungskonzepten im Bereich Game-Based Learning; entwickelt didaktische Methoden für Schule und Erwachsenenbildung Kooperation mit Spawnpoint; universitäres Lehr- und Forschungsprojekt (vgl. Universität Erfurt 2024)
„Allersleben“ – Biografisches Lernspiel Evangelische Akademie Thüringen, Jugendbildungsstätte Junker Jörg, Spawnpoint e.V. Lernspiel zur Jugend in der DDR; thematisiert Verantwortung, Mitwirkung und Zivilcourage im historischen Kontext DenkBunt und kirchliche Eigenmittel
„Text-Abenteuer in der politischen Bildung“ Spawnpoint e.V. Jugendliche entwickeln mit der Open-Source-Software Twine interaktive Geschichten zu Themen wie Gleichberechtigung, Teilhabe oder digitale Öffentlichkeit Bundeszentrale für politische Bildung
Werkstatttage& Spiele zur politischen Bildung Evangelische Akademie Thüringen Spiele, Workshops und Seminare zu Erinnerungskultur, historisch-politischem Lernen und demokratischer Verantwortung eigene Bildungsreihe der Evangelischen Akademie Thüringen
Game-Jams & Jugend-Labs Thüringen Institut Spawnpoint e. V., Bauhaus-Gamesfabrik (Weimar), Arbeit und Leben Thüringen e. V., Landeszentrale für politische Bildung Thüringen Kurzformate, in denen Teilnehmende eigene Spiele zu Themen wie Demokratie, Nachhaltigkeit oder KI entwickeln und reflektieren Kooperation und Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sowie Partner aus Bildung und Kultur (vgl. Spawnpoint 2025; bildungfürdemokratie.de 2024).

Die Top 5 Demokratie-Games für Unterricht & Zuhause

Spiele machen Demokratie erlebbar – nicht als trockene Theorie, sondern als Handlungsraum voller Entscheidungen, Konflikte und Wertefragen. Die folgenden fünf Titel zeigen, wie vielfältig politisches Lernen aussehen kann.

Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie

Berlin 1918: Revolution liegt in der Luft. In diesem historischen Serious Game „Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie“ begleiten Spielende den Reichspräsidenten durch die turbulente Gründungsphase der Weimarer Republik und treffen Entscheidungen über Macht, Verantwortung und Kompromisse.

Spieltyp: Historisch-politisches Serious Game

Methodik: Simulation historischer Entscheidungen, Diskussion im Anschluss

Demokratieaspekt: Verantwortung, Kompromissfähigkeit, Aufbau demokratischer Institutionen

Ziel: Demokratische Grundwerte verstehen und historische Zusammenhänge nachvollziehen

Hersteller: Playing History / Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte

Verfügbarkeit: Kostenlos online im Browser spielen unter ebert-gedenkstaette.de/das-spiel/

Altersgrenze: Ab 14 Jahren

Allersleben

Ein kleines Dorf in Thüringen in den 80er Jahren: Jugendliche treffen sich, tauschen Träume aus – und spüren doch, dass Freiheit Grenzen hat. Im Karten-Rollenspiel "Allersleben" erleben Spielende den DDR-Alltag aus Sicht junger Menschen, die zwischen Anpassung, Zweifel und Mut erwachsen werden. Das Spiel vermittelt Wissen über das Leben in der DDR und lädt ein, eigene Fragen zu stellen: Wie war es, jung zu sein in einem Staat voller Widersprüche – und was lässt sich daraus heute lernen?

Spieltyp: Biografisches Lern- bzw. Kartenspiel mit Rollenspielelementen

Methodik: Erzählbasiertes Lernen, Quellen- und Biografienarbeit, moderierte Diskussion in Workshopkontexten

Demokratieaspekt: Verantwortung, Zivilcourage, Erinnerungskultur gegenüber der DDR-Erfahrung

Ziel: Jugendliche einen emotionalen, multiperspektivischen Zugang zur Alltagswelt der DDR ermöglichen

Hersteller: Projektteam „Allersleben“ – Projekt der Evangelischen Akademie Thüringen, Jugendbildungsstätte Junker Jörg Eisenach, Spawnpoint – Institut für Spiel‑ und Medienkultur e. V. und Evangelischen Akademie für Land und Jugend e.V. Altenkirchen

Verfügbarkeit: Events und Methoden-Workshops der Hersteller (zur Anmeldung)

Altersgrenze: Ab 16 Jahren

Text-Abenteuer in der politischen Bildung (TWINE-Projekt)

Wie lässt sich Demokratie erzählen – und gestalten? Im Erfurter Projekt "Text-Abenteuer in der politischen Bildung" entwickeln Jugendliche mit der Open-Source-Software Twine eigene interaktive Geschichten. Sie schreiben Entscheidungen, erfinden Figuren und verknüpfen Themen wie Mitbestimmung, Diskriminierung oder digitale Teilhabe mit ihren eigenen Erfahrungen. So entsteht politische Bildung, die kreativ, partizipativ und selbstbestimmt ist.

Spieltyp: Interaktives Storytelling-Format / partizipatives Lernprojekt

Methodik: Kreatives Schreiben, Peer-Learning, Game-Design-Workshops

Demokratieaspekt: Partizipation, Selbstwirksamkeit, Medienkompetenz

Ziel: Jugendliche befähigen, gesellschaftliche Themen selbst zu gestalten und zu reflektieren

Hersteller: Spawnpoint – Institut für Spiel- und Medienkultur e. V. (Erfurt), gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung

Verfügbarkeit: Teilnahme über Workshops, Projektwochen und Game Jams

Altersgrenze: Ab 14 Jahren

The Darkest Files 

Deutschland, Mitte der 1950er-Jahre. In verrauchten Büros türmen sich Akten, die kaum jemand anfassen will – Beweise für NS-Verbrechen, die ungesühnt geblieben sind. In The Darkest Files übernehmen Spielende die Rolle einer jungen Staatsanwältin, die in diesem Klima des Schweigens nach Gerechtigkeit sucht. Schritt für Schritt rekonstruiert sie Verbrechen, befragt Zeugen, konfrontiert Täter – und steht vor der Frage, wie man Schuld überhaupt bemessen kann.

Spieltyp: Narratives Serious Game

Methodik: Fallanalyse, moralische Dilemmata, Diskussion zu Recht und Gerechtigkeit

Demokratieaspekt: Rechtsstaat, Verantwortung, Erinnerungskultur

Ziel: Empathie fördern, historische und ethische Urteilsfähigkeit stärken

Hersteller: Paintbucket Games (Berlin)

Verfügbarkeit: Download als PC-Version über Steam

Altersgrenze: Ab 16 Jahren

Democracy 3

Wie weit darf Macht gehen, wenn sie auf Zustimmung angewiesen ist? Democracy 3 stellt Spielende vor politische und moralische Dilemmata: Reformieren oder stabilisieren? Handeln oder abwarten? Zwischen öffentlichem Druck, wirtschaftlicher Verantwortung und persönlicher Überzeugung zeigt das Spiel, dass Demokratie kein Zustand ist, sondern ein ständiger Aushandlungsprozess.

Spieltyp: Politiksimulation

Methodik: Strategisches Entscheiden, Systemanalyse, Diskussion politischer Wechselwirkungen

Demokratieaspekt: Partizipation, Interessenausgleich, Verantwortung

Ziel: Politische Prozesse verstehen und systemisches Denken fördern

Hersteller: Positech Games (UK)

Verfügbarkeit: PC, Mac und Linux unter positech.co.uk/democracy3

Altersgrenze: Ab 15 Jahren

Pädagogische Praxistipps für den Unterricht

Die vorgestellten Spiele zeigen, wie Demokratie durch digitales Erleben greifbar wird. Damit sie in Schule und Bildungsarbeit ihre volle Wirkung entfalten, braucht es jedoch mehr als nur gute Titel – nämlich pädagogische Planung, technische Vorbereitung und Raum für Reflexion.

Tipp 1: Spiele sorgfältig auswählen

Die Auswahl orientiert sich an Themen, Alter und Gruppengröße. Für Sekundarstufe I eignen sich erzählerische Spiele mit klaren Rollen und überschaubarem Regelwerk. In der Sekundarstufe II und Erwachsenenbildung können komplexere Simulationen eingesetzt werden, um politische Prozesse und Interessenkonflikte zu diskutieren. Als Auswahlkriterium gilt: Das Spiel sollte emotionale Beteiligung fördern, moralische Entscheidungen enthalten und Raum für Reflexion bieten.

Tipp 2: Lernziele konkret formulieren

Die Spielauswahl sollte sich an klaren Lernzielen orientieren. Bei historischem Lernen sind narrative Formate mit Zeitbezug sinnvoll. Für Werte- oder Demokratielernen bieten sich offene Szenarien an, in denen Kooperation, Verantwortung oder Zivilcourage gefordert sind. Hilfreich ist es, im Vorfeld zwei bis drei Leitfragen festzulegen, etwa: Wie wird Verantwortung sichtbar? oder Wann wird eine Entscheidung gerecht? Solche Fragen strukturieren die Beobachtung und leiten die spätere Auswertung.

Tipp 3: Abläufe klar strukturieren

Ein klarer Ablauf sorgt für Orientierung und Verbindlichkeit. Bewährt haben sich dreiteilige Settings:

  1. Einstieg (10–15 Minuten): Thema einführen, Erwartungen klären, Rollen verteilen.

  2. Spielphase (30–60 Minuten): aktiv spielen oder gemeinsam beobachten.

  3. Reflexion (30 Minuten): Eindrücke diskutieren und Transfer in Alltag oder Politik herstellen.

Bei größeren Gruppen können Teams mit verschiedenen Rollen (z. B. Regierung, Opposition, Medien) gebildet werden. So werden alle Beteiligten eingebunden und Perspektivenvielfalt entsteht.

Tipp 4: Reflexion direkt anleiten

Nach dem Spiel sollte das Erlebte unmittelbar besprochen werden, solange die Eindrücke frisch sind. Ein kurzes Stimmungsbild (Was hat überrascht?“, „Wo wurde Verantwortung spürbar?) öffnet den Raum für Austausch. Hilfreich sind Visualisierungen – etwa Kartenabfragen, digitale Pinnwände oder kurze Audio-Statements, die Gedanken festhalten. Reflexion sollte mehrdeutiges Denken fördern: Es gibt kein richtig oder falsch, sondern verschiedene Perspektiven auf demokratisches Handeln.

Tipp 5: Selbstgestaltung ermöglichen

Eigene Projekte vertiefen Lernprozesse und fördern Medienkompetenz. Teilnehmende können mit niedrigschwelligen Tools wie Twine oder Scratch eigene Entscheidungs- oder Planspiele entwickeln. Auch analoge Varianten – z. B. mit Karten oder Baukastensystemen – sind möglich. Erfahrungen aus Thüringer Game Jams zeigen: Schon kleine Gruppen von vier bis fünf Personen erzielen in wenigen Stunden beeindruckende Ergebnisse, wenn kreative Freiheit mit klaren Themenvorgaben kombiniert wird.

Tipp 6: Technik vorab testen und anpassen

Pädagogische Fachkräfte berichten, dass technische Störungen häufig die größte Hürde sind. Ein Probelauf am Vortag klärt, ob Lizenzen, Internetverbindung und Ton funktionieren. Viele Spiele lassen sich auch offline oder im Präsentationsmodus spielen – das reduziert den Aufwand und erlaubt gemeinsames Beobachten statt individueller Bildschirmnutzung.

Beim Einsatz von Spielen muss darauf geachtet werden, dass Plattformen und Tools DSGVO-konform sind und keine personenbezogenen Daten speichern. Offline- oder Browser-Versionen sind hier meist die sicherste Wahl. Vor Beginn lohnt sich eine kurze Absprache mit der IT- oder datenschutzbeauftragten Stelle.

Ausblick: Chancen von Demokratie-Spielen in der Bildungsarbeit

Demokratie-Spiele eröffnen neue Wege, um gesellschaftliche Zusammenhänge erlebbar zu machen. Sie verbinden Wissen, Emotion und Handlung: Entscheidungen werden ausprobiert, Folgen sichtbar, Perspektiven gewechselt. Das stärkt Urteilsfähigkeit und fördert den Dialog über Werte und Verantwortung.

Digitale Formate erweitern diesen Lernraum. Sie schaffen ortsübergreifende Zusammenarbeit, senken Zugangsbarrieren und treffen die Lebensrealität junger Menschen. So entstehen neue Wege, Demokratie interaktiv und partizipativ zu vermitteln.

Die Zukunft politischer Bildung liegt darin, diese digitalen Lernräume gezielt zu fördern und zu gestalten. Wenn Schulen, Medienpädagogik und Bildungsträger ihre Ansätze vernetzen, wird Demokratiebildung noch stärker ein Teil junger Alltagswelten – praxisnah, reflektiert und nah am Leben.

FAQs

Welche Spiele eignen sich für den Einstieg in die politische Bildung?

Für den Einstieg eignen sich Spiele, die ohne großen technischen Aufwand einsetzbar sind und klare Lernziele unterstützen. Spiele wie Allersleben oder Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie vermitteln historische und gesellschaftliche Themen auf anschauliche Weise. Für offene Workshop-Formate eignen sich interaktive Textspiele auf Basis von Twine oder einfache Entscheidungs- und Rollenspiele, die Kooperation und Wertefragen ins Zentrum stellen.

Wie können Lehrkräfte Demokratie-Spiele pädagogisch reflektieren?

Reflexion sollte direkt an die Spielphase anschließen. Kurze Blitzrunden, Leitfragen oder digitale Pinnwände helfen, Eindrücke festzuhalten und Perspektiven zu vergleichen. Bewährt haben sich Fragen wie: Wo wurde Verantwortung sichtbar?, Welche Entscheidungen wirkten gerecht?, Was ließe sich auf den Alltag übertragen? So entsteht ein Gespräch über Werte und demokratisches Handeln.

Gibt es Förderprogramme für politische Bildung in Thüringen?

Ja. Projekte zur Demokratiebildung werden unter anderem durch das Landesprogramm DenkBunt – Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gefördert. Ergänzend unterstützt das Bundesprogramm Demokratie leben! überregionale Netzwerke und Initiativen. Beratung und Antragsbegleitung bieten die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sowie das Thüringer Landesnetzwerk Politische Bildung.

Welche Rolle spielen Datenschutz und Technik im Unterrichtseinsatz?

Technik schafft Zugang, sollte aber verlässlich und datensicher eingesetzt werden. Browserbasierte oder Offline-Versionen sind oft am einfachsten zu handhaben. Wichtig ist, dass verwendete Plattformen DSGVO-konform sind und keine persönlichen Daten von Lernenden speichern. Datenschutz ist Teil der Medienkompetenz – und damit selbst ein Lernziel demokratischer Bildung.

Weitere Artikel